{"id":7061,"date":"2018-03-27T17:28:09","date_gmt":"2018-03-27T17:28:09","guid":{"rendered":"https:\/\/www.career-competence.at\/?p=7061"},"modified":"2018-02-24T16:55:51","modified_gmt":"2018-02-24T16:55:51","slug":"wenn-der-aufschwung-ueber-uns-hereinbricht","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.career-competence.at\/2018\/wenn-der-aufschwung-ueber-uns-hereinbricht\/","title":{"rendered":"Wenn der Aufschwung \u00fcber uns hereinbricht"},"content":{"rendered":"

In letzter Zeit war viel von \u201eAufschwung\u201c die Rede. Damit wurde vor allem der wirtschaftliche Aufschwung bezeichnet, der nunmehr nach einer sogenannten Wirtschaftskrise in unser Land Einzug gehalten hat. Doch der Begriff Aufschwung bezeichnet auch ganz grunds\u00e4tzlich die Verbesserung einer Lage. Doch wie l\u00e4sst sich die vom Aufschwung dominierte Lage aus arbeitspsychologischer Sicht beschreiben?<\/strong><\/p>\n

J\u00fcrgen Glaser, Professor f\u00fcr Angewandte Psychologie an der Universit\u00e4t Innsbruck, hat einen eigenen Blick auf die Lage der Dinge. Er besch\u00e4ftigt sich in seiner Forschung vornehmlich mit Arbeitspsychologie. Ein wichtiger Blickwinkel, denn der \u201eAufschwung\u201c erreicht uns nicht nur abstrakt als diffuses emotionales Gef\u00fchl in unserer Lebenswelt, sondern ganz konkret in unserer Arbeitswelt als Arbeitnehmer oder Selbstst\u00e4ndige.<\/p>\n

Allgemein bem\u00e4ngelt Glaser aus arbeitspsychologischer Sicht, dass in vielen Branchen und an vielen Arbeitspl\u00e4tzen Arbeitsintensivierung und Arbeitsextensivierung so fortgeschritten seien, dass es zu \u201epers\u00f6nlichen Kollateralsch\u00e4den\u201c komme. Er weist auf \u201eStressoren\u201c am Arbeitsplatz hin: \u201eEs kommt vor, dass man einfach mit der Menge an Arbeitsaufgaben \u00fcberfordert ist.\u201c Auch Aspekte wie Ver\u00e4nderungen in der Arbeitswelt und immer mehr Entscheidungen f\u00fchrt er als solche Stressoren an. Viele Arbeitnehmer m\u00fcssten auch zunehmend mit ihrer Zeit haushalten und diese qualifizieren. Fr\u00fcher sei ebendies Aufgabe der F\u00fchrungskr\u00e4fte gewesen. \u201eDie Besch\u00e4ftigten arbeiten au\u00dferdem \u201aentgrenzt\u2018, zum Teil auch zu Hause\u201c, skizziert Glaser eine aus seiner Sicht \u201epathologische\u201c Entwicklung. \u201eSie k\u00f6nnen nicht mehr abschalten und bekommen gesundheitliche Probleme.\u201c<\/p>\n

Im Anschluss an diese Analysen von Glaser l\u00e4sst sich die Frage stellen, wohin uns der im Moment diagnostizierte Aufschwung f\u00fchren wird. Ist der Aufschwung gar ein guter Partner des Dogmas des stetigen, infiniten Wachstums? Soll er uns zu noch mehr Leistung und Selbstausbeutung f\u00fchren? Und wenn ja: F\u00fchrt uns dieser Aufschwung dann nicht noch mehr hin zur Ersch\u00f6pfung und letzten Endes zum Burn-out?<\/p>\n

\u201eH\u00f6herqualifizierte, J\u00fcngere und wom\u00f6glich auch Ungebundene, vor Energie Strotzende, denen es nichts ausmacht, von hier nach da zu reisen, profitieren nat\u00fcrlich st\u00e4rker.\u201c<\/p><\/blockquote>\n

J\u00fcrgen Glaser,
\nProfessor f\u00fcr Angewandte Psychologie<\/em><\/p>\n

Der \u201eAufschwung\u201c und der Markt<\/strong><\/h2>\n

\u201eAufschwung ist auch ein Markt, von dem viele profitierten\u201c, sagt Glaser. \u201eIn diesem Kontext entstehen auch Arbeitspl\u00e4tze\u201c, betont er die positiven Seiten. \u201eAber es geht immer mehr auch zulasten der Besch\u00e4ftigten\u201c, schiebt er die Schattenseite nach. \u201eEine Systemgrenze ist erreicht.\u201c<\/p>\n

Die Ver\u00e4nderung der Arbeitswelt und der Begleiter Aufschwung f\u00fchren aber nicht nur zu \u00dcberlastung und \u00dcberforderung. \u201eF\u00fcr bestimmte Besch\u00e4ftigungsgruppen entstehen auch mehr Spielr\u00e4ume und mehr Autonomie\u201c, betont der Psychologe. Das f\u00fchre aus psychologischer Sicht zu mehr Kreativit\u00e4t und mehr Engagement. Dennoch sieht Glaser auch hier die Tendenz, dass diese Ver\u00e4nderungen auf Kosten der Zeit f\u00fcr Erholung gehen. \u201eSch\u00f6ner w\u00e4re es, wenn man es mit den personellen und \u00f6konomischen Rahmenbedingungen so gestalten k\u00f6nnte, dass der Aufschwung zu einer Win-win- Situation werden w\u00fcrde\u201c, spricht Glaser \u00fcber seine Vorstellung des gegenw\u00e4rtigen Arbeitsmarkts.<\/p>\n

Weitere Aspekte sind zu beachten, etwa dass der Aufschwung wom\u00f6glich gar nicht bei jedermann und jederfrau ankommt.<\/p>\n

\u201eH\u00f6herqualifizierte, J\u00fcngere und wom\u00f6glich auch Ungebundene, vor Energie Strotzende, denen es nichts ausmacht, von hier nach da zu reisen, profitieren nat\u00fcrlich st\u00e4rker\u201c, glaubt Glaser.<\/p>\n

Damit ist deutlich, dass der Aufschwung, verstanden als eine Art Welle, die \u00fcber uns hereinbricht, auch neue Normen und Erwartungshaltungen seitens der \u00d6konomie f\u00fcr Arbeitnehmer und Selbstst\u00e4ndige mit sich bringt. Wollen wir \u00fcberhaupt von dem Aufschwung profitieren oder m\u00f6chten wir nicht lieber mehr Freizeit, weniger Entgrenzung und weniger Reisebereitschaft?<\/p>\n

\u201eEntscheidend aus psychologischer Sicht ist, dass man das Gef\u00fchl hat, selbst dar\u00fcber zu entscheiden\u201c, meint der Professor f\u00fcr Angewandte Psychologie. Es k\u00f6nne eine ganz bewusste Entscheidung sein, zu Hause zu arbeiten. Denkbar sei aber auch, dass man dazu aufgrund der Arbeitsmenge gezwungen wird, so Glaser. Man m\u00fcsse zwischen Flexibilit\u00e4tsanforderungen und Autonomie unterscheiden. \u201eJe mehr Kontrolle man selbst hat, desto positiver sind die Effekte\u201c, weist Glaser auf Studien hin.<\/p>\n

Aufschwung \u2013 aber f\u00fcr wen und wie?<\/strong><\/h2>\n

Doch was sagen Studien zu den Wertehaltungen der Arbeitnehmer? \u201eLaut Studien steht bei J\u00fcngeren Freizeit hoch im Kurs, Loyalit\u00e4t zum Arbeitnehmer nicht so stark. Es geht nicht mehr nur um Geld\u201c, wei\u00df Glaser. Wollen wir also von der \u201eWelle\u201c des Aufschwungs mitgerissen werden? \u201eJeder kann potenziell mitgerissen werden\u201c, meint Glaser. \u201eAber bei Menschen, die stets in stark reglementierten Bereichen gearbeitet haben, kann man den Hebel nicht so schnell umlegen.\u201c Es gebe psychologisch begr\u00fcndbare Widerst\u00e4nde gegen Ver\u00e4nderungen, die ein behutsameres Vorgehen erfordern.<\/p>\n

Sehr plausibel ist jedenfalls die These, dass Aufschwung und Aufbruch als Konzepte miteinander korrelieren k\u00f6nnen. Der Aufbruch als Konzept hat das Potenzial, die grunds\u00e4tzlich positive Konnotation des \u201eAufschwungs in konkreten Ver\u00e4nderungen und Verbesserungen f\u00fcr Arbeitende manifest werden zu lassen.
\n\u201eAufbruch ist eine Form von Ver\u00e4nderung\u201c, glaubt auch Glaser.<\/p>\n

Man kann man also sagen: Aufschwung, ja bitte. Es ist nur allzu verst\u00e4ndlich, dass dieser nach einer Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit willkommen gehei\u00dfen und angenommen wird. Dabei sollte aber der Blick auf die Arbeitsrealit\u00e4t nicht verloren gehen. Aufschwung f\u00fchrt zu Wachstum. Doch kann und soll die \u00d6konomie stetig wachsen und welche Folgen hat das f\u00fcr die Arbeitnehmer oder als Selbstst\u00e4ndige in diesem Zusammenhang t\u00e4tige Menschen? Gehen vom Aufschwung positive Ver\u00e4nderungen und qualitative Verbesserungen aus oder f\u00fchrt Aufschwung nur zu einer Anh\u00e4ufung der Arbeitsaufgaben und einer Verl\u00e4ngerung der Arbeitswelt mit erzwungener Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit?Quelle:<\/strong>
\nECHO Zeitschriften und Verlags Ges.m.b.H.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

In letzter Zeit war viel von \u201eAufschwung\u201c die Rede. Damit wurde vor allem der wirtschaftliche Aufschwung bezeichnet, der nunmehr nach einer sogenannten Wirtschaftskrise in unser Land Einzug gehalten hat.<\/p>\n","protected":false},"author":6,"featured_media":7064,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"_price":"","_stock":"","_tribe_ticket_header":"","_tribe_default_ticket_provider":"","_tribe_ticket_capacity":"0","_ticket_start_date":"","_ticket_end_date":"","_tribe_ticket_show_description":"","_tribe_ticket_show_not_going":false,"_tribe_ticket_use_global_stock":"","_tribe_ticket_global_stock_level":"","_global_stock_mode":"","_global_stock_cap":"","_tribe_rsvp_for_event":"","_tribe_ticket_going_count":"","_tribe_ticket_not_going_count":"","_tribe_tickets_list":[],"_tribe_ticket_has_attendee_info_fields":false,"footnotes":""},"categories":[1,286],"tags":[],"class_list":["post-7061","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-allgemein","category-wirtschaft"],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7061","targetHints":{"allow":["GET"]}}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/6"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=7061"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7061\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/media\/7064"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=7061"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=7061"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.career-competence.at\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=7061"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}